Für dieses Jahr hatten wir uns Großes vorgenommen: Unser Sohn, inzwischen acht Jahre alt, sollte an beiden Füßen operiert werden. Mit großer Anspannung fieberte ich dem Termin für seine Fuß-OP, der subtalaren Arthrorise, entgegen und freute mich schon darauf, wenn wir alles gut überstanden hätten. Was uns dann noch erwartete, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber mal ganz von vorne …
Knick-Senkfuß: Laufen wie ein watschelnder Pinguin
Seit unser Sohn zwei Jahre alt ist, trägt er Orthesen. Er konnte damals noch nicht einmal frei laufen, doch durch sein schwaches Bindegewebe und die überstreckbaren Gelenke brauchten seine Füße diesen Halt. Für ihn und für uns gehörten seine Unterschenkel-Fußorthesen zum Leben dazu – ob wir es wollten oder nicht. Mit den Jahren konnte man auch immer deutlicher sehen, wie wichtig die Orthesen für ihn waren: Er entwickelte einen starken Knick-Senkfuß, der nur durch die Orthesen „aufgefangen“ werden konnte. Ohne Orthesen glich sein Gangbild dem eines watschelnden Pinguins.
Die Lösung: Eine Fuß-OP
Diese Fußfehlstellung wurde zunehmend stärker, so dass er vor einigen Monaten immer ausgeprägtere Druckstellen an den Fußinnenseiten entwickelte, die sich teilweise entzündeten und anschwollen. Auch mit der regelmäßigen Anpassung der Orthesen wurde das Problem nicht wirklich besser. Unser Orthopäde empfahl uns daraufhin eine Operation, die in einem solchen Fall zum Einsatz kommen und Besserung versprechen kann: die subtalare Arthrorise.
Subtalare Arthrorise – kurz erklärt
Die subtalare Arthrorise ist ein minimalinvasiver operativer Eingriff, bei dem unter Röntgenkontrolle ein Implantat zwischen Sprung- und Fersenbein eingesetzt wird. Dadurch wird die Beweglichkeit des Gelenkes in eine bestimmte Richtung verhindert und der Knick-Senkfuß wieder aufgerichtet.
Nach Angaben der Fachleute dient diese Operation der Wachstumslenkung und wird bei Kindern mit schwerem Knick-Senkfuß im Alter zwischen acht und zwölf Jahren durchgeführt, wenn trotz Einlagen- oder Orthesen-Versorgung keine Verbesserung der Fehlstellung erreicht wurde. Innerhalb von zwei Wochen nach der Operation sind die Füße in der Regel wieder normal belastbar.
Auch die Zweitmeinung sagt: Fuß-OP
Klingt alles relativ harmlos – und aus Sicht der Fachleute ist die subtalare Arthrorise tatsächlich ein einfacher Routine-Eingriff. Dennoch: Begeistert waren wir nicht von dem Gedanken an einen operativen Eingriff. Also holten wir uns eine Zweitmeinung ein. Doch auch hier lautete die einzige Lösung: Operation. Subtalare Arthrorise. Wir mussten einsehen, dass es keine andere Möglichkeit gab, unserem Sohn zu helfen. Der Arzt war absolut vertrauenswürdig und überzeugend. Gleichzeitig hatte er einen guten Zugang zu unserem Sohn gefunden. Für uns ein beruhigendes Gefühl. Hier fühlten wir uns gut aufgehoben.
Und: Wir hatten die Hoffnung, dass er zukünftig ohne Orthesen laufen könnte und dadurch ein neues Laufgefühl bekäme. Also entschieden wir uns für die Operation.
Gleich beide Füße auf einmal
Wenige Wochen später lag unser Sohn auf dem OP-Tisch und bekam gleich beide Füße operiert. So konnten wir ihm eine weitere Narkose ersparen und er hatte es hinter sich. Im gleichen Zuge wurde auch eine so genannte indirekte Achillessehnenverlängerung durchgeführt, die über einen Schnitt an der Wade vorgenommen wird. Die Operation dauerte insgesamt nur eine knappe Stunde – dann durften wir schon zu unserem kleinen Patienten in den Aufwachraum.
Er hatte alles gut überstanden, die OP war gut verlaufen. Aufatmen. Auch im weiteren Tagesverlauf ging es ihm den Umständen entsprechend wirklich gut. Erst am nächsten Morgen fingen die Schmerzen an, doch dagegen gab es Schmerzsaft. Bereits am Mittag durften wir die Klinik wieder verlassen und er konnte sich zuhause in seiner gewohnten Umgebung von den Strapazen erholen.
Auf die Erleichterung folgte die Ernüchterung
Das stellte uns allerdings vor viele Herausforderungen. Da unser Sohn aufgrund der Schmerzen anfangs noch nicht auftreten konnte, mussten wir ihn tragen. Jede noch so kleine Entfernung war für ihn ein Hindernis. Mit seinen fast 40 Kilogramm ist er allerdings auch kein Leichtgewicht mehr. Und so wurde mir zum ersten Mal bewusst, was es wohl für andere Familien bedeutet, ein Kind zu betreuen, das im Rollstuhl sitzt.
Auf diese Situation hatten wir uns ehrlich gesagt auch nicht wirklich vorbereitet. Viel zu groß war die Anspannung vor der Operation selbst gewesen. Erst einmal wollten wir diesen Eingriff hinter uns bringen – dann hätten wir schließlich das Gröbste geschafft. Dachten wir. Alles andere würden wir dann auch noch irgendwie hinbekommen.
Doch schon nach wenigen Tagen bekamen wir die Quittung für das viele Herumtragen – zuhause, ins Auto hinein, beim Arzt, bei der Physiotherapie: Schmerzen im Rücken und in den Handgelenken. Körperliche Erschöpfung. Die Situation zerrte an unseren Nerven. Zum Glück bekamen wir aus dem Bekanntenkreis einen Rollator als Leihgabe – ein Segen in dieser Situation. So konnten wir unseren Sohn zumindest innerhalb einer Etage einfach schieben und mussten ihn nicht mehr tragen.
Damit hatten wir nicht gerechnet: Das Laufen neu lernen
Als unser kleiner Patient nach wenigen Tagen wieder langsam auftreten konnte, kam das böse Erwachen. Die Schmerzen waren zwar offensichtlich besser geworden. Doch er stand da, als wäre er noch nie zuvor gelaufen. Es schien, als gehörten seine Füße und Beine gar nicht zu seinem Körper. Unser Sohn war war völlig hilflos und überfordert, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es flossen viele Tränen und immer wieder wurde unser so tapferer kleiner Mann regelrecht aggressiv. Seine Physiotherapeutin war davon wenig überrascht. Sie erklärte uns, dass der Eingriff nicht nur orthopädisch betrachtet werden dürfte, sondern auch eine neurologische Auswirkung hätte. So sehr sein Kopf das Laufen wollte – sein Körper konnte es nicht umsetzen. Er musste das Laufen quasi wieder neu lernen. Erst jetzt wurde uns das tatsächliche Ausmaß wirklich bewusst. Und das Schlimmste war, dass wir unserem Sohn die Situation nicht erklären konnten, auch wenn wir es so gerne getan hätten – gerade dann, wenn man ihm die Anstrengung und Verzweiflung ansehen konnte.
Es brauchte unglaublich viel Geduld – für alle Beteiligten, doch Schritt für Schritt – im wahrsten Sinne des Wortes – kämpfte sich unser Sohn zurück auf die Beine. Tag für Tag machten wir Übungen, dehnten seine Füße, übten das Gehen am Rollator, machten zusätzliche Kräftigungsübungen, die uns die Physiotherapeutin gezeigt hatte. Wir bereiteten uns zudem auf die Schule vor, die in wenigen Tagen wieder beginnen sollte. Die OP lag inzwischen drei Wochen zurück.
In kleinen Schritten vorwärts
Und dann kam die Erleichterung: In der Schule ließ sich unser kleiner Kämpfer von den gewohnten Abläufen und den anderen Kindern und Betreuungspersonen mitreißen. Mit viel Ausdauer und Motivation schaffte er es durch die ersten Tage – immer unterstützt durch Rollstuhl und Rollator.
Und nach einigen Tagen der erste große Erfolg: Unser Sohn lief seine ersten drei Schritte ganz alleine!
Zwar sind seine Füße immer noch sehr berührungsempfindlich, sein Gleichgewicht ist noch nicht wieder ganz hergestellt, so dass er noch sehr unsicher ist; außerdem ist er ist noch schneller erschöpft als früher. Aber wir sind optimistisch, dass er in einigen Wochen (vielleicht Monaten) wieder wie früher laufen kann – beziehungsweise: noch besser. Und zwar ohne Orthesen. Eine große Erleichterung.
Trotz aller Strapazen: Es war die richtige Entscheidung
Mal abgesehen von den anstrengenden Wochen, die hinter unserem Sohn und uns liegen, gebe ich zu: Das Ergebnis der Operation ist wirklich gut. Die starke Fehlstellung ist behoben, seine Füße stehen völlig gerade und die Druckstellen und Rötungen sind komplett zurückgegangen. Auch der Orthopäde zeigte sich bei der Kontrolluntersuchung sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Zum heutigen Zeitpunkt können wir sagen: Es war die richtige Entscheidung.
Nun warten wir ab, wann die Implantate ausgetauscht werden müssen. Denn das wurde uns bereits im Vorfeld angekündigt: Wenn die Füße wachsen, werden die Implantate irgendwann zu klein sein. Doch bis dahin konzentrieren wir uns darauf, dass diese Operation richtig und wichtig war, und freuen uns mit unserem Sohn über jeden noch so kleinen Fortschritt.
Gleichzeitig möchte ich allen Eltern, die in einer ähnlichen Situation sind, ein paar kleine Tipps mit auf den Weg geben:
Meine persönlichen Tipps für alle Eltern, die sich für die subtalare Arthrorise bei ihrem Kind entschieden haben:
- Räumliche Situation / Barrierefreiheit
Bereitet Euch darauf vor, dass Euer Kind in der ersten Zeit nach der OP nicht mobil sein wird, d. h. nicht eigenständig laufen kann. Dazu gehören Überlegungen wie beispielsweise …- Wie ist Eure wohnliche Situation? (Thema Barrierefreiheit, Treppen usw.)
- Wie sieht der Weg von der Wohnung zum Auto aus?
- Wie könnt Ihr Euer Kind von A nach B bringen – gerade auch in der Wohnung?
(Buggy, Rollator, Rollstuhl, selber tragen?) - Wer kann Euch hier behilflich sein? (je nach Größe und Gewicht des Kindes)
- Hilfsmittel
Organisiert Euch entsprechende Hilfsmittel, beispielsweise einen Rollator und – falls noch nicht vorhanden – evtl. einen (Reha-)Buggy, um Euer Kind einfacher befördern zu können. Am Rollator kann es zudem wieder langsam laufen lernen. Sprecht am besten mit Eurem Kinderarzt/Eurer Kinderärztin, ob er/sie Euch eine Verordnung dafür ausstellen kann. - Physiotherapie
Kümmert Euch frühzeitig um Termine für die Physiotherapie – idealerweise mehrere Wochen im Voraus, denn die meisten Praxen sind sehr ausgelastet. - Private Unterstützung
Sucht Euch bereits im Vorfeld ausreichend Unterstützung durch Familie oder Freunde, beispielsweise für Fahrten zur Arztpraxis, zur Physiotherapie o. ä. – aber auch für die Betreuung des Kindes, wenn Ihr eine Auszeit braucht. - In der Schule
Besprecht im Vorfeld, welche Möglichkeiten in der Schule gegeben sind, um Euer Kind dort gut aufgehoben zu wissen (Hilfsmittel wie Rollator/Rollstuhl, Einweisung des Lehrpersonals usw.).
Bei Kindern, die mit dem Fahrdienst zur Schule kommen, ist auch eine enge Abstimmung mit dem Fahrdienst hilfreich. - Wundversorgung
Der Verbandswechsel wird in der Regel in der Hausarztpraxis durchgeführt.
Dennoch: Für Kinder, die Probleme mit Pflastern haben (ich spreche aus Erfahrung), empfehle ich,
ausreichend Ersatzpflaster und Desinfektionsspray zu besorgen, falls mal wieder ein Pflaster „abgeklubbert“ wurde und Ihr es erneuern müsst (gibt es für wenig Geld im Drogeriemarkt). - Betreuungssituation bei berufstätigen Eltern
Wenn beide Elternteile berufstätig sind: Klärt untereinander, wer sich wie lange auf das Kind krankschreiben lassen kann bzw. wie Ihr die Betreuung Eures Kindes grundsätzlich organisiert. - Kleine Auszeiten und viel Geduld
Gönnt Euch zwischendurch ausreichend Pausen und kleine Auszeiten, damit Ihr wieder auftanken könnt. Unterschätzt die körperliche Anstrengung nicht. Habt Geduld mit Euch selbst und mit Eurem Kind. Es ist eine belastende Ausnahmesituation – für alle Beteiligten. - Und vor allem: Freut Euch über die kleinen Erfolge!
Freut Euch über die ersten Schritte nach der Operation, die vielen kleinen Fortschritte – im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr werdet sehen, wie sehr man sich auf einmal über Kleinigkeiten freuen kann! 🙂
Ich wünsche Euch alles Gute!
Liebe Stefanie,
ich habe sehr interessiert deinen Beitrag gelesen und bedanke mich sehr! Bei meiner Tochter (9jahre) steht auch diese op an. Jetzt interessiert mich natürlich ungemein, wie es Deinem Sohn jetzt im Oktober geht. Wärest du so lieb, mir ein kleines Update zu senden? Ich wäre dir sehr dankbar….man findet im Netz kaum Erfahrungsberichte über diese op!
Danke und liebe Grüße
Silke
Liebe Silke,
es freut mich, wenn mein Artikel Dir ein wenig geholfen hat!
Ich fand es einfach wichtig, darüber zu berichten, da auch ich mir vor der OP ein paar fundierte Erfahrungsberichte gewünscht hätte, aber wie Du kaum etwas dazu gefunden habe.
Mittlerweile läuft unser Sohn wieder richtig gut! Rückblickend würde ich sagen, dass er nach ca. acht Wochen schon wieder relativ sicher laufen konnte und es sich seitdem stetig verbessert hat.
Sein Gangbild ist allerdings immer noch nicht optimal, das Abrollen der Füße klappt noch nicht wirklich gut und die Muskulatur in den Füßen ist insgesamt noch nicht „voll ausgebildet“. So krallt er beispielsweise auf einer Seite den großen Zeh ziemlich in den Boden, quasi als Ausgleichreaktion. Auch das Treppen hinunterlaufen ist noch mit Unsicherheit verbunden, aber das sind alles scheinbar „normale“ Begleiterscheinungen, an denen die Physiotherapeutin weiterhin mit ihm arbeitet. Seine Einlagen, die er nach der OP bekommen hat, haben wir auch nochmal anpassen lassen. Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen.
Alles Gute für Eure OP!!! Ich hoffe, es verläuft alles reibungslos und danach ist Eure Tochter wieder schnell auf den Beinen!
Liebe Grüße,
Steffi
Unser Sohn (13) wurde am 2.1.24 auch an beiden Füßen operiert inkl. Anritzen der Archillessehne. Er war 3 Tage im KH und hatte dort bereits Physiotherapie . Als er entlassen wurde, konnte er gut mit Krücken laufen u zu Hause angekommen, lief er seine gewohnten Strecken schon ohne jegliche Hilfe.
Bis jetzt lief also alles sehr gut und wir hoffen, dass es sich gelohnt hat. Das wird man später dann sehen.
Liebe Carolin,
danke für Deinen Erfahrungsbericht!
WOW!!! Das ist ja wirklich beeindruckend und freut mich total für Euch!
Dann weiterhin alles Gute!
Liebe Grüße,
Steffi
Hallo Steffi, danke für den ausführlichen Bericht. Unsere 10jährige Tochter wurde gestern auch an beiden Füßen operiert. Wir sind auch erstmal ziemlich ratlos, weil sie kaum auftreten kann, Schmerzen hat und wir darauf gar nicht vorbereitet waren. Dein Bericht macht Mut und Hoffnung, dass es bald aufwärts geht. Danke von ❤️en. Viele Grüße!
Liebe Bettina,
ich kann das so gut nachempfinden und wünsche Euch von Herzen alles Liebe und viel Geduld und Eurer Tochter natürlich gute und schnelle Genesung!
Ganz liebe Grüße, Steffi
Hallo Stefanie,
bei unserer Tochter, 9 Jahre, ist auch gerade Tag 2 nach OP, allerdings erstmal nur rechts.
Ab welchen Tag ging denn das aufsetzen des Fusses? Sie kann ihn noch gar nicht belasten, die Schmerzen sind scheinbar zu schlimm. Krankengymnastik ist seitens des Krankenhauses nicht notwendig.
LG Karin
Liebe Karin,
zuerst einmal gute Besserung für die kleine Patientin!
Wenn ich mich richtig erinnere, hat es bei uns etwa 10 Tage gedauert, bis die erste richtige Belastung möglich war. Aber das ist ja bei jedem Kind anders.
Drücke Euch die Daumen, dass sie schnell wieder auf die Beine kommt.
Krankengymnastik ist bei ihr gar nicht geplant?
Liebe Grüße, Steffi